Da ein Biozid alleine häufig nicht ausreichend wirksam ist, werden in typischen Schutzanstrichen ungefähr drei bis fünf verschiedene Wirkstoffe miteinander kombiniert, sodass Biozidkonzentrationen von 0,3 g/m² bis 4,0 g/m² in der Farbe bzw. dem Putz der Fassaden erreicht werden (Burkhardt et al., 2009, 2011).
Für ihre Wirksamkeit müssen die Biozide aus dem Fassadenschutzmittel in eine wässrige Phase überführt werden, um mit potenziellen Schadorganismen in Kontakt treten zu können (vgl. Reiter Problematik.) Dieser Vorgang findet statt, wenn Wasser an die Fassade gelangt und in die Fassadenporen eindringt. Beim anschließenden Trocknen der Fassade (bedingt durch die Evaporation aus den Fassadenporen heraus) werden weitere Biozide zur Fassadenoberfläche transportiert. Dieser Prozess ist so gewollt, da sich Schadorganismen an der Fassadenoberfläche befinden, wohingegen die Biozide im Material (Putz oder Farbe) gebunden sind.
Der Nachteil ist, dass Biozide an der Fassadenoberfläche leicht in die Umwelt eingetragen werden können, beispielweise durch Abwaschen bei Niederschlägen oder direkt durch Verflüchtigung. Dadurch stehen die Biozide nicht mehr zur Schädlingsbekämpfung zur Verfügung und „neue“ Biozide müssen aus den Materialen austreten, um eine fortwährende Schädlingsbekämpfung an der Materialoberfläche zu gewährleisten (Erich und Baukh, 2016; Schoknecht et al., 2009).
Laborversuche zeigen, dass, bedingt durch die Diffusionseigenschaften der Materialen zum Häuserfassadenschutz, maximale Biozidauswaschungen definiert werden können. Dabei gilt, je älter die Häuserfassaden sind, desto schlechter lösen sich Biozide aus den Fassaden. Dieser Vorgang wird in „Lösungsraten für Biozide“ angegeben. Da die Raten relativ langsam zurückgehen, können auch lange nach dem letzten Fassadenanstrich noch Biozide ausgewaschen werden. Gleiche Ergebnisse konnten auch bei Feldversuchen in Einzugsgebieten und Modellhäusern gemessen werden. Ähnliche Dynamiken werden für ein singuläres Niederschlagsereignis beobachtet. So ist die Intensität der Biozidauswaschung zu Beginn eines Regens am höchsten und nimmt mit zunehmender Niederschlagsdauer ab. (Schoknecht et al., 2016, 2009; Wittmer et al., 2011; Erich und Baukh, 2016; Burkhardt et al., 2012).
Maximale Konzentrationen können sich dabei, in Größenordnungen von 1 mg/l und 2 mg/l für Terbutryn und Octhilinon, bewegen (Schoknecht et al., 2016).
Messungen und Modellierungen in Freiburg i. Br. zeigen, dass selbst aus 17 Jahre alten Fassaden noch immer Biozide ausgewaschen werden können (Hensen et al., 2018).
Der Biozidaustrag hängt maßgeblich davon ab, wie viel Wasser an die Fassade gelangt und nicht, wie viel Niederschlag fällt. Deshalb sind bauliche Maßnahmen, die den Regen von der Fassade abhalten (z.B. Dachüberstände, Windblockaden oder Tropfkanten), effiziente Methoden, um den Biozidaustrag zu verringern. Der Biozideinsatz wiederum kann verringert werden, wenn die Fassade nach einem Regenereignis möglichst schnell trocknen kann. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die Fassade nicht beschattet ist. Darüber hinaus können Fassadenmaterialien verwendet werden, die natürlicherweise nicht besonders anfällig gegenüber Algen- und Pilzwachstum sind, wie z.B. Glas, Klinker oder mineralische Putze. Sollte der Einsatz von Bioziden allerdings nicht vermeidbar bzw. unbedingt erwünscht sein, sollten sogenannte verkapselte Biozide eingesetzt werden. Hierduch lässt sich die Auswaschung von Bioziden deutlich verringern (Burkhardt et al., 2011).
Wie ersichtlich ist, können Biozide durchaus als gefährlich für die Umwelt eingestuft werden. Schwierig ist jedoch, eine genaue Bestimmung einzelner Biozide und deren Gefahrenabschätzung. Als besonders kritisch sind die Transformationsprodukte (d.h. Umbauprodukte aus biologischen, chemischen oder photolytischen Prozessen) der Biozide einzuschätzen, da hier zu einem Großteil noch keinerlei Informationen vorliegen.
Wie oben beschrieben können Biozide über verschiedene Wege ausgetragen werden. Die daraus entstehenden Gefahren für die Umwelt sind vielseitig und hängen von den Austragsungswegen ab:
Ausgewaschene Biozide können direkt am unteren Ende der Fassade mit dem Niederschlagswasser in die Böden entlang der Häuser eingetragen werden und unter Umständen bis ins Grundwasser vordringen. Wenn das biozidbelastete Wasser, z. B. aus den Fassaden, in technische Anlagen zur Niederschlagsversickerung (Mulden, Mulden-Rigolen, Rigolen) eingeleitet wird, können auf gleichem Wege auch die Biozide transportiert werden (Hensen et al., 2018). Problematisch ist es, wenn die Sickerpassage oder Vorbehandlung der Anlage nicht ausreicht, um die Biozide vor einem Transport bis ins Grundwasser zurückzuhalten (Bork et al., 2021).
Eintragspfade in die Oberflächengewässer entstehen bei Trennkanalisation mit Einleitung des Niederschlagswassers aber auch bei Einleitungen von Kläranlagen ohne vierte Reinigungsstufe, die in der Regel nicht in der Lage sind, das gesamte Spektrum an Bioziden in ausreichendem Maße zurückzuhalten.
Literatur:
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