Biozide werden nach der europäischen Biozidverordnung Nr. 528/2012 klassifiziert und unterscheiden sich von Pflanzenschutzmitteln per Definition nur durch die „Absicht der Anwendung“. Während Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft ungewollte Schädlinge bekämpfen sollen, um Erträge zu verbessern, werden Biozide zum Schutz von Materialien verwendet. Biozide und Pflanzenschutzmittel werden unter dem Begriff Pestizide zusammengefasst und können auf chemischer Basis die gleichen Substanzen sein.
Biozide werden zum Schutz von Baumaterialien sowohl im Außen- als auch im Innenbereich eingesetzt oder dienen „zum Schutz“ des Menschen, wie z. B. im Mückenspray oder Desinfektionsmittel. Laut Umweltbundesamt waren Anfang 2017 ca. 43.000 Biozidprodukte auf dem Markt (Umweltbundesamt, 2017). Eine gängige Anwendung von Bioziden ist der Einsatz in Fassadenfarben. Hier dienen sie dazu, Algen- und Pilzwachstum zu unterbinden. In der Regel schaden die Organismen der Bausubstanz nicht, werden aber als ästhetisch unansehnlich empfunden.
Damit die Biozide ihre Wirkungen entfalten können, müssen sie mit potentiellen Schadorganismen direkt in Berührung kommen. Um einen dauerhaften Schutz zu gewährleisten, müssen Biozide so permanent an der Oberfläche von Hausfassaden zur Verfügung stehen. Durch das Regenwasser, welches auf die Hausfassade trifft, werden die Biozide aus dem Schutzanstrich, in dem sie gebunden waren, herausgelöst und mit dem Wasser an die Fassadenoberfläche transportiert. Dort können sie abgewaschen werden und in die Umwelt gelangen.
Wissenschaftliche Studien zeigen an Hand von Messungen, dass Biozide durch Auswaschung ihren Weg bis in die Kläranlagen finden. Selbst in Regenwürmern auf Äckern, die mit biozidbelasteten Klärschlämmen gedüngt wurden, konnten laut Umweltbundesamt Biozidrückstände festgestellt werden. Auch in Fischen, die in Gewässern leben, in welche Kläranlagen entwässern, wurden Biozidrückstände nachgewiesen.
Bei einer so großen Zahl an Bioziden gibt es auch viele Möglichkeiten, wie diese in das Grund- und Oberflächenwasser eingetragen werden können. Folgend sind einige Pfade beispielhaft aufgeführt:
  • Zunächst gilt, dass prinzipiell alle Biozide, die nicht unmittelbar an den Materialien haften bleiben, in die Umwelt eintreten können. Möglichkeiten sind Verflüchtigung oder Abwaschung durch Niederschlagswasser.
  • Ausgewaschene Biozide können in Böden, Oberflächengewässer oder in das Grundwasser gelangen.
  • Einträge in die Kanalisation werden bei Mischwasserkanalisationen der Kläranlage zugeführt. Bei Trennwasserkanalisationen wird das Regenwasser (auch mit möglicher Biozidbelastung) direkt den Vorflutern zugeführt. Dies trifft laut Umweltbundesamt in Deutschland für ungefähr 40% der Kanalisationssysteme zu.
  • Bei Mischwasserkanalisationen gilt, dass alle Biozide, die nicht durch biologische und chemische Abbauprozesse oder durch Sorption (vor allem in Sedimenten oder Klärschlämmen) zurückgehalten werden, über den Kläranlagenausfluss in die Vorfluter gelangen.
  • Heutzutage wird eine dezentrale Regenwasserversickerung vermehrt als Lösung für die Versickerung von Regenwasser in Erwägung gezogen. Hierbei können mit dem Regenwasser jedoch auch Biozide eingetragen werden. Problematisch sind vor allem schnelle Wege ins Grundwassers, wie sie in Böden mit bevorzugten Fließbahnen, z.B. Regenwurmgängen oder alten Wurzelröhren, auftreten können.
  • Werden Klärschlämme als Dünger verwendet, können darin enthaltene Biozide gelöst und ebenfalls in die Umwelt eingetragen werden.
Da die Systeme Boden, Grund- und Oberflächenwasser in einem steten Austausch zueinander stehen, werden auch mit steigender Tendenz Biozide in den Komponenten des Wasserkreislaufs gemessen. Meistens sind zwar die Konzentrationen gering, allerdings können sich Biozide in ihrer Wirksamkeit gegenseitig verstärken. Ebenfalls sind Transformationsprodukte, also die Produkte eines unvollständigen Abbaus der Biozide, häufig noch zu wenig erforscht. Es konnten jedoch bereits bei einzelnen Transformationsprodukten höhere Toxizitäten festgestellt werden als bei den Muttersubstanzen.
Literatur:
  • Umweltbundesamt (2017): Sind Biozideinträge in die Umwelt von besorgniserregendem Ausmaß? Empfehlungen des Umweltbundesamtes für eine Vorgehensweise zur Untersuchung der Umweltbelastung durch Biozide. Hg. v. Fachgebiet IV 1.2 Biozide, Umweltbundesamt. Umweltbundesamt. Dessau-Roßlau.

Impressum | Datenschutzerklärung